Hypnosystemik in der Jugendhilfe
Priming oder die magische Kraft von Worten, Klängen oder Sinnesreizen
Priming oder die magische Kraft von Worten, Klängen oder Sinnesreizen
Priming bezeichnet die unbewusste Beeinflussung von Denken und Wahrnehmung durch Worte, Klänge oder Sinnesreize. Beispiele aus realen Experimenten zeigen, wie Worte und Sätze physiologische und mentale Prozesse beeinflussen können. Ein Experiment mit Farb-Assoziationen veranschaulicht die Auswirkungen von Priming auf Gedanken und Wahrnehmung. Diese Erkenntnisse sind auch auf Beratungs- und Betreuungsprozesse übertragbar, da eine ressourcenorientierte Wortwahl das Erleben der Klienten positiv beeinflussen kann. Ein ressourcenorientiertes Sprachumfeld kann dazu beitragen, dass Menschen sich kompetent und gestärkt fühlen, während ein auf Defizite fokussierter Sprachkontext das Erleben negativ beeinflussen kann.
In Märchen und Phantasiegeschichten begegnen wir Heldinnen und Helden, die durch Hexen und Zauberern mit einem Zauberspruch oder Fluch verzaubert worden sind. Da wurde z.B. Dornröschen und alle Schlossbewohner in einen 100-jährigen Schlaf versetzt oder der Königssohn musste in einem tiefen Brunnen als verzauberter Frosch leben, bis eine Prinzessin ihn mit einem Kuss vom Zauber befreite.
Auch im realen Leben können Menschen mit Worten oder Sinnesreizen wie Töne, Gerüche, visuelle Reize in unbewusste Erlebenszustände versetzt werden.
Forschungsergebnisse der Sozialpsychologie zeigen auf, dass Worte bei Menschen physiologische und mentale Prozesse hervorrufen.
J.A. Bargh konnte in seinen vielfach durchgeführten sogenannten Florida-Experimenten nachweisen, dass Gruppen von Student:innen, die Sätze über vorgegebene Begriffe zu Alter und Gebrechlichkeit zu bilden hatten, einen Flur signifikant langsamer durchschritten, als Student:innen, die Sätze bezogen auf Jugendlichkeit, Lebendigkeit oder Sportlichkeit formulierten.
Wir können also davon ausgehen, dass wir Wortbegriffe aufnehmen, die unser Denken und unsere Wahrnehmung unbewusst beeinflussen.
Hierzu möchte ich zu einem kleinen Experiment einladen:
Bitte beantworte nachfolgende Fragen schnell nacheinander:
Welche Farbe hat der Schnee?
Welche Farbe hat das Blatt Papier?
Welche Farbe hat ein Brautkleid?
Welche Farben haben die Wolken?
Was trinkt die Kuh?
Zur Erklärung:
Falls Du bei der letzten Frage an "Milch" gedacht hast, wurdest Du durch die vier vorangegangenen Fragen mit der Farbe "Weiß" geprimt. Deine inneren gedanklichen Verarbeitungsprozesse wurden mit der Farbe "Weiß" vorbereitet, sodass schließlich bei der letzten Frage, "Milch" als Gedanke aufkam.
Dies wird als Priming bezeichnet. Englischer Begriff für Vorbereiten/Grundierung oder auch neurologisch als Bahnung bezeichnet.
Diese Erkenntnisse können wir auch auf Beratungs- und Betreuungsprozesse übertragen. Indem ein ressourcen- und lösungsorientierter, auf Kompetenzen ausgerichteter Sprachkontext hervorgerufen wird, erleben sich die Klienten und Klientinnen in ihrem Selbstbild gestärkt. Dementsprechend kann ein auf Defizite und Krankheitssymptome vorhandenes Sprachumfeld das Erleben der Menschen negativ beeinflussen.
Hier noch ein weiters Beispiel:
Lehrern, denen positiv dargestellte Entwicklungsberichte von eigentlich schwachen Schülern vorgelegt wurden, verhielten sich diesen Schülern gegenüber wohlwollender und entdeckten bei ihnen vermehr Stärken und Fähigkeiten. Die Lehrkräfte gaben diesen Schülern auch bessere Schulnoten, als bei Schülern, deren Berichte negative Einschätzungen enthielten.
Wir können also mit einer ressourcenorientierten Wortwahl ein Sprachumfeld schaffen, in dem sich die Klienten und Klientinnen in Beratungs- und Betreuungssettings kompetent und gestärkt erleben.
Der Fokus der Aufmerksamkeit auf die Potentiale erzeugt das entsprechende Erleben.
Literatur
Bargh, J.A. (2018). Vor dem Denken. Wie das Unbewusste uns steuert. Droemer
Kahneman, D. (2011). Schnelles Denken, langsames Denken. Siedler
Kolodej, Ch. 2022. Priming - Stärkende Räume entstehen lassen. Springer Gabler
Mit meinen Angaben im Kontaktformular stimme ich zu, dass zur Beantwortung meiner Anfrage meine Daten erhoben und verarbeitet werden.
Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail (info@michael-wischnowsky.de) widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in der Datenschutzerklärung.